Vom selbstbestimmten Weglassen ungesunder Nahrung.

Die Organisation von Nahrungsmitteln ist lebenslang eine tägliche Begleiterin.

An einem Sonntagmorgen bleiben die Eltern im Bett und Max* läuft zum ersten Mal mit einem Geldbetrag allein zum Bäcker um die Ecke, um die Sonntagsbrötchen zu holen. Er hat den Weg gefunden, die Bestellung aufgegeben, den Betrag auf die Theke gelegt und die Ware entgegengenommen. Stolz legt Max die Tüte auf den Frühstückstisch, er hat einen großen Schritt in die Selbstständigkeit geschafft.

Bald folgt der erste Samstagabend, bei dem es für den gemütlich vor dem Fernseher sitzenden Max zum ersten Mal Chips und Cola als eine besondere Ausnahme gibt. Ein Fest, bei dem er das meistens Verbotene genießen darf. Obwohl Max` Eltern normalerweise die tägliche Nahrung nach Aspekten der gesunden Ernährung servieren, genehmigen sie ab und zu das sehnsüchtig Verlangte – man will ja mal nicht immer so streng sein… Als Max das Teenageralter erreicht, kann er sich seine Süßigkeiten selbst organisieren, denn er erhält zum Lernen des Umgangs mit dem Euro sein wöchentlich zugeteiltes Taschengeld. Selbstbewusst kauft sich Max eine erste Flasche Cola und genießt das Gefühl, zu den Erwachsenen zu gehören. Das Erlebnis, nach der Schule in den Supermarkt zu gehen und selbstständig einen Schokoriegel zu kaufen – für Max ein Genuss! Die Ausnahmen werden zur Gewohnheit und die Frage nach der Gesundheit ist in dieser Situation für Teenager Max sowieso unwichtig. Mit den Jahren reicht das Taschengeld sogar für einen Besuch in der Pizzeria nebenan, wo er neue Freunde kennenlernt, die sich dort in einer Clique treffen. Die sporadischen Treffen sind ein geselliges Beisammensein, die der junge Mann nicht missen möchte. Max` Eltern betrachten seine selbstorganisierten Besuche mit dem Freundeskreis zum einen mit Wohlwollen. Sie freuen sich für ihn, denn es macht ihn glücklich, sich mit anderen zu treffen. Zum anderen merken die Eltern aber, dass Max und seine Freunde natürlich nicht die gesunden Angebote in Augenschein nehmen, sondern das, was der Jugend schmeckt – neben der Pizza beim Italiener auch leckere Döner oder köstliche Pommes mit Currywurst. Eben alles, was zuhause eher weniger auf den Teller kommt. Zwar lässt die Verfügung über regelmäßiges Taschengeld das für den heranwachsenden Max wichtige Umgehen mit Geld trainieren und ihn in Kontakt mit Gleichaltrigen in seinem Umfeld treten. Gleichzeitig aber verlieren Max` Eltern die Mitbestimmung über das Kaufverhalten ihres Kindes.

Wer mag nicht Schokolade?
Eines Tages wird festgestellt, dass es zu viel des guten Ungesunden war. Als einzige Personen versuchen die Eltern, auf ein Weglassen der Süßigkeiten und Co hinzuwirken und ihn zu einer gesunden Ernährung zu bewegen. Sie stoßen bei Max selten auf Einsicht, denn auf die gemeinschaftlichen Zusammenkünfte und Erlebnisse möchte er nicht verzichten und die sind meistens mit entsprechendem Essen und Trinken verbunden. Es stellt sich heraus, dass es für Max eine enorme Herausforderung ist, trotz gutem Willen selbstständig den gewohnten Konsum zu ändern. Als Max die Volljährigkeit erreicht, sind die schlechten Essgewohnheiten für die Eltern noch weniger regulierbar.

Glücklicherweise wurde das Thema Ernährung in Max` Förderschule umfangreich unterrichtet und ist somit positiv in seinem Bewusstsein verankert. Der heranwachsende Max, der nun die Nachteile einer ungesunden Ernährung am eigenen Körper spürt, erinnert sich bei der schwierigen Umstellung seiner Essgewohnheiten an das in der Kindheit und Jugend erlernte Wissen. Die Eltern werden dadurch in ihren Bemühungen unterstützt.

Weglassen in kleinen Schritten
Wie vieles im Leben funktioniert die Umstellung zu gesunder Ernährung oft nur in kleinen langsamen Schritten. Es hat meist keinen Zweck, alles auf einmal zu verbieten und eine Diät zu verordnen, denn es ist für Max kein Problem, an die verbotenen Dinge im Alltag heranzukommen und heimlich den Verboten ein Schnippchen zu schlagen. Durch kleine erfolgreiche Schritte des Weglassens aber ist das anstrengende Ändern der Ernährung für ihn nachvollziehbar und machbar. Aus der Schokoriegelpackung wird zum Beispiel ein Schokoriegel herausgenommen und nur der Rest der Packung gegessen. Ist die Stillung des Heißhungers trotz etwas weniger Schokolade erfolgreich gelungen, wird selbstverständlich ein großes Lob ausgesprochen und gleich beim nächsten Mal mit zwei Riegeln das Weglassen gesteigert. Die Tüte mit Chips gibt es jetzt nur noch am Samstagabend und wird nicht ganz gegessen, sondern ein Teil den Anderen angeboten – Abgeben als Sozialkompetenz! Die Eltern begleiten Max` langsamen und langwierigen Prozess der Umstellung mit viel Geduld und Sensibilität, denn neben Erfolgen gibt es bei Max immer wieder Rückschläge. Damit er die Motivation nicht verliert, ist Kommunikation bei diesem Dauerthema eine wesentliche Voraussetzung.

Wie im Sport: Immer wieder neu anfangen und das Trainingsziel nicht aus den Augen verlieren!
Nach und nach wird Max sich bewusst, dass er sich bei dem, was er isst, kontrollieren und die Verantwortung für eine gesunde Ernährung des eigenen Körpers selbst übernehmen muss. Jedes bewusste Weglassen von ungesunden Nahrungsmitteln ist für ihn ein Erfolg und erfüllt ihn mit Stolz. Die erreichten kleinen Ziele bei seiner Ernährungszusammenstellung sind für ihn große Schritte in die Selbstständigkeit.

Herma Schöningh

*geänderter Name

© Lebenshilfe München e.V.

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